Der Herbst ist schön und warm hier in Heilbronn.
Und Käthchen ist da und die Mama
geht heute schon, auf ihre dritte Demonstration.
Am Ortsrand begegnen wir zwei älteren Damen
mit Gesichtern wie reife Sonnen ...
„Wo wollen Sie hin, zur Waldheide?
– Ah, da immer nur den Buckel rauf,
dann werden Sie schon sehen ...”.
Und segnen uns: „in Gottes Namen, Amen”.
Wir schlagen den Schal uns vors Gesicht
trotz Vermummungsverbot.
Die Luft ist kalt und zwickt in der Nase,
der Herbstwald leuchtet so feuerrot.
Und da neben dem GI mit den kalten Augen
seh ich plötzlich ein Gespenst stehn.
In den Händen ein blutiges Sternenbanner,
ich reib mir die Augen und kann nicht mehr gehen.
Drachen schlagen Purzelbäume im Oktoberhimmel wild,
die Erde atmet kräftig durch.
In den Sträuchern zieht der Altweibersommer
seine Spinnenfäden.
Der Herbst ist schön und warm hier in Heilbronn.
Und Käthchen ist da und die Mama
geht heute schon auf ihre dritte Demonstration.
Grün ist der Wald noch und grün ist die Heide,
und grün sind die Jungs, die davor stehn.
Und unsere Sprache ist noch sehr bescheiden,
wir wollen ja nur, dass die Phänomene gehen.
Wir stehen hier ja nur für unser Leben
und gegen den „Tag danach”.
Wir zeigen euch ja nur, dass wir nicht mehr schlafen,
wir sind ja nur schon ein wenig wach.
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Am 11. Januar 1985 explodiert eine Pershing 2-Rakete auf der Heilbronner Waldheide.
Erklärung des bundesdeutschen Ministers für das Kriegswesen: „Ein Phänomen ...”.