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Vorwärts...

 

„... Vorwärts, doch nichts vergessen!”

Witzig, pfiffig, frech und lehrreich: das deutschsprachige Arbeiterlied als immaterielles Kulturerbe.

Seit dem November 2013 läuft das Antragsverfahren zur Aufnahme der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Dr. Joachim Hetscher (Münster) und Bernd Köhler (Mannheim) sind die Motoren dieser Initiative, die seitdem zahlreiche und prominente Unterstützung erhält.

Gemeinsam hatten nun die UNESCO-Initiative, die IG Metall Mannheim und das TECHNOSEUM zu einer Informationsveranstaltung am 31. Mai 2014 in das Museum eingeladen. Gut 120 Besucherinnen und Besucher fanden sich an diesem Samstagabend ein, darunter auch Interessierte aus Stuttgart oder Frankfurt. Musikalisch intervenierten Bernd Köhler und Jan Lindquist von ewo2 vor und nach der Debatte mit internationalen und deutschen Arbeiterliedern unterschiedlicher Epochen und trafen dabei auf ein erstaunlich sangesfreudiges Publikum. .

Ungemein unterhaltsam und frisch führte Prof. Hartmut Fladt von der Berliner Akademie der Künste in das Thema ein: In seinem mit zahlreichen Tonbeispielen unterlegten Vortrag zeigte er aus musikwissenschaftlicher Sicht die Entstehung und Entwicklung von Liedern der deutschen Arbeiterbewegung. Seine Differenzierung zwischen „Arbeitslied“ und „Lieder der Arbeiterbewegung“ illustrierte er mit internationalen Beispielen wie dem Banana-Song von Harry Belafonte oder dem „Streiklied“ der neunjährigen Lisa Simpson aus der gleichnamigen Comic-Serie. Den Liedern der deutschen Arbeiterbewegung attestierte er einen windungsreichen Weg von der Adaption barocker Liedkultur über Aneignung und Umformung modernerer Trends wie Chansons oder Massenchören der 1920er Jahren bis hin zu schöpferischen Eigenleistungen, die auch zahlreiche zeitgenössische Komponisten beeinflussten. Dass diese Liedkultur auch ambivalent sein konnte, demonstrierte er am Beispiel von „Auf, auf zum Kampf“, das von den Nationalsozialisten umgedichtet und vereinnahmt werden konnte. Trotzdem sei das deutschsprachige Arbeiterlied immer noch lebendig und erfahre viele Anregungen aus den neuen sozialen Bewegungen.

Diese Einschätzung bestätigte in der anschließenden Talk-Runde, die von Bernd Köhler moderiert wurde, der ALSTOM Betriebsrat Wolfgang Alles. Er schilderte, welche Bedeutung dem ALSTOM-Chor, der seit 2003 besteht, in den vielen Krisenabwehrgefechten und in den aktuellen Streiks zukomme. Diese Bedeutung hat auch, so erklärte Ulrike Obermeyer vom Bildungsreferat beim Hauptvorstand der IG Metall, dazu geführt, dass das LiederBilderLeseBuch von Karl Adamek aus dem Anfang der 1980er Jahre im November 2013 wieder aufgelegt und in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit aufgenommen wurde. Horst Steffens vom TECHNOSEUM wies abschließend darauf hin, dass dieser Antrag auf Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe ja den Schutz einer politischen Kultur bedeute und dass es spannend sei zu verfolgen, wie die UNESCO-Kommission, die ja für kulturelle Vielfalt werbe, damit umgehe.

Generell kann man jetzt schon feststellen, dass es der UNESCO-Initiative binnen kurzer Zeit gelungen ist, eine engagierte Auseinandersetzung mit den Liedtraditionen der deutschen Arbeiterbewegung ohne Verklärung, Pathos und Nostalgie in Gang zu bringen und dass es dafür ein öffentliches Interesse gibt.

Sichtbarer Ausdruck dafür war, dass im Anschluss an die Veranstaltung im TECHNOSEUM 83 Besucher mit ihrer Unterschrift das Anliegen der Initiative unterstützten!


Dr. Horst Steffens
Mannheim, Juni 2014


>> Antragstext der UNESCO-Initiative als PDF-Download